Dr. Klaus Rautmann

Weckruf zur Selbstverpflichtung Bremens die ungenutzten Stärken Bremer Grüns zielstrebig im Geiste der „Charta Zukunft Stadt und Grün“ weiter zu entwickeln

 

Seit Wochen wird das Hohe Lied städtischen Grüns in Presse, Buten un Binnen als auch einem Positionspapier des Bündnis “Lebenswerte Stadt – grünes Bremen“ gesungen. Durch die enormen Einschränkungen der Corona Pandemie auf unser Leben haben wir den Wert öffentlichen Grüns für unsere sozialen Kontakte, Erholung, Entspannung, Sport wahrgenommen. Der gesellschaftliche Blick auf das Stadtgrün hatte sich, nicht zuletzt auch in Bremen durch lokale Auseinandersetzungen um Projekte wie die Platanen am Deich verschärft. Doch wer nimmt gleichberechtigt an der Diskussion und verantwortliche Abwägung abweichender Interessen teil?

 

o Es ist keine neue Diskussion, allenfalls haben sich Akzente durch die aktuelle Corona- Klima- und Kohleausstiegsdiskussion verschoben. Deutschland hat sich bereits 2015 zur Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit umfangreichen Nachhaltigkeitszielen bekannt, inbegriffen darin essentielle Beiträge für lokales Grün-/ Freiräume zu liefern. Die Vorarbeit für unsere nationale Nachhaltigkeitsstrategie hatte das BMUB, Bundes- ministerium für Umwelt, in Kooperation mit 6 weiteren Bundesministerien in landesweiten Diskussionsrunden, Workshops 2014 erarbeitet und die Ergebnisse 2015 als „Grünbuch Stadtgrün“ publiziert, inkl. dem Förderprogramm “Zukunft Stadtgrün“. Die Erwartung, dass Großstädte eine Vorbildfunktion übernehmen und die Zeit nutzen ausführungsreife Projekte auf lokaler Ebene zu präzisieren sowie verbindliche Selbstver- pflichtungen eingehen, hat sich erfüllt. Das Ruhrgebiet liefert z.B. mit seinen bergbaubedingten Strukturproblemen Zielvorgaben für durchgrünte Städte, wie Essen, und Renaturierung von Emscher und Ruhr bis zur IGA 2o27, eine beeindruckende Langzeitstrategie. Auch Berlin hat mit seinem Programm “Berlin macht Grün“ hat Haushalts-bindende Verpflichtungen für Stadtgrün Projekte bis 2030 verabschiedet.

 

o Wie ist der Stand dieser Diskussion vor Ort? Die Verantwortung für die Einbindung des Themas Grün liegt seit vielen Jahren beim gleichen Ressort mit gleicher politischer Ausrichtung. Die aktuellen Entscheidungsträger sind zudem spätestens seit 2014 in den Prozess eingebunden. Es geht um die  Koordination realisierbarer Schritte sowohl auf gesamtstädtischer und Stadtteilebene voran zu treiben, als auch einseitige technische Lösungsstrategien zu vermeiden. Mit der Zuständigkeit für den Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau sind beste Voraussetzungen dafür geboten. Die derzeitige Senatorin ist zudem vom beruflichen Werdegang als auch politischer Einbindung mit der lokalen Situation vertraut, um entsprechenden Beteiligungsprozess von Senatsverwaltung, Bürger/innen vor Ort und Fachöffentlichkeit zu gestalten. Zudem bieten bindende Planwerke und Veranstaltungen Entscheidungshilfen an:

  • 1991 Landschaftsprogramm Bremen
  • 1999 Stadtentwicklungskonzept Bremen
  • 2002 Grünes Netz grün- und Freiraumkonzept Bremen
  • 2014 Neuaufstellung des Landschaftsprogramms Entwurf Februar2014
  • 2014 Veranstaltung “Charta Zukunft Stadt und Grün“ des Bündnis für eine lebenswerte Stadt in der: „Botanica“ am 22.07.2014

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 

Botanica 22.07.2014

 

alltägliches Grün vor Ort sichern, pflegen, fortentwickeln.

 

Bremens langgestreckter Stadtkörper beinhaltet für alle Stadtteile eine große Fülle unterschiedlicher Grünangebote innerstädtischer Bereiche als auch angrenzender Landschaft, die zu Fuß, per Rad  erreichbar sind, ein besonderer Glücksfall einer Großstadt über 500.000 Ew. Mehrere strategische Planungsvarianten gilt es für die Vernetzung zu kombinieren.

Öffentliches Grün in Alt- und Neustadt Bremens begann mit den „Wallringanlagen“. Ein Planungskonzept das alle Bürger Bremens mit alltäglichem Freiraum, kulturellen und wissenschaftlichen Einrichtungen erreichte. Als erste von einem bürgerlichen Parlament beschlossen öffentliche Grünanlage Deutschlands, wird Ihre Qualität und Vielfalt, zu Recht unter Denkmalschutz gestellt, seitens der Stadt nicht gebührend gewürdigt. Vor über 200 Jahren wurde zudem mit ihr die stadtweite Grünvernetzung begründet. Als Natur-, Kultur-Kunst-Erlebnis besonderer Art, wurde die Neustädter Seite  seit 2005 mit neuen Angeboten zeitgemäß fortentwickelt. Dessen Erreichbarkeit aber für Bürger der gewachsenen Neustadt durch fußläufige Passagen nicht Schritt hielt. Zwar gibt es an den jeweiligen End-Punkten zur Weser in Höhe der Piepe und durch die neue Grünspange am Bahnhof Neustadt Anbindungen an den weiten/offenen Raum des Werdersees und der Weser in Richtung Lankenauer Höft. Innerstädtische Quervernetzungen von dem Platanen-Boulevard an der kleinen Weser in Richtung Wall über beruhigte Straßenabschnitte u.a.  Am Neuen Markt, Lucie–Flechtheim-Platz oder Passagen neuer Wohnbebauungen blieben viel zu zaghaft. Das größte Versäumnis besteht jedoch in dem einfallslosen Verzicht auf die seit langem geplante Grünachsen zum Park links der Weser.

 

Die Not der Kriegszerstörungen in Bremen nutzte man nach 1945 für ein neues Leitbild der durchgrünten, aufgelockerten Stadt. Das Sonderheft zur Neugestaltung Bremens 1952 “No. 4 Grünanlagen“, griff die Idee der Verknüpfung vielfältiger Grünangebote mit dem alltäglichen
Umfeld durch ein Netzwerk stadtteilübergreifender „Grünzüge“ auf. Dies gilt es wieder zu beleben mit der ursprünglich konzipierten begleitenden Infrastruktur alltäglicher Nutzungsanlässe. Ein realisierter Abschnitt des „Grünzug West“ in Utbremen liefert eine gute Vorlage dazu. Nicht Vision sondern gewachsene Realität im Zentrum der Stadt ist längst der grüne Platanen-Boulevard entlang der kleinen Weser mit den mächtigen Baumkronen. Kein einseitiges Straßenbegleitgrün, sondern ausgestattet mit einer vielschichtigen Infrastruktur u.a. aus Anbindung an den Teerhof und Altstadt, Altenheime, Rotes Kreuz Krankenhaus, Künstlerhaus, Joggingstrecke , Sport-,Angler-Ruheecken im geschäftigen Getriebe der Stadt. Hier ist etwas zum vertrauten Alltag geworden was von der Ausweisung der „13 Grünzügen“ im Landschaftsprogramm 2014, nur bruchstückhaft realisiert wurde.

 

Nahezu vergessen ist auch die abgespeckte Version von „ Kleingartenparks“ mit einladenden stadtteilverbindenden Trassen, Biotopen und kommunikativen Plätzen weitläufiger Kleingartenareale. Eine zaghafte Wiederbelebung der Idee im Bereich Waller Feldmarksee als „Kleingartenpark Bremer Westen“ tut sich seit 2014  schwer mit der baulichen Vollendung. Angebote im Bereich der Kleingärten auf dem Werder und Neuenland, Ochtum haben ebenfalls Nachholbedarf hinsichtlich Qualität des Wegenetzes und Angebote für die „Nichtgärtner“ aus der Neustadt.

 

Seit fast 30 Jahren werden in Planwerken “unterversorgte Stadtteile“ wie die Neustadt beklagt ohne konsequent mit dem grünen Potential Altbremer-Häuser inklusive der privaten Gärten und des Straßenbaumbestandes als beruhigte „grüne Wohnstraßen“ für einen Lückenschluss zu nutzen. Seit Jahren wird zudem eine Verkehrswende angemahnt. Folgen der Corona Pandemie wie home office mit Änderungen von Arbeitsinhalten, -orten und Verkehrs- aufkommen mahnen eine zügige Realisierung an. Spielräume müssen jetzt genutzt werden, um den öffentlichen Raum mehrschichtig zu nutzen. Die Bürger sollten die Nutzungsmöglichkeiten vor der eigenen Haustür wieder entdecken und neugierig das Angebot jenseits des eigenen Stadtteil-Tellerrandes entdecken wollen.

 

Klaus Rautmann Juli 2020

klaus.rautmann@web.de